Sunday, April 18, 2010

Was war vor dem Urknall?

From my Science Column at Tageblatt:
Als Kind und Teenager habe ich mir diese Frage gestellt. Meine Antwort damals: Entweder wurden Welt und Zeit geschaffen oder das Universum ist unendlich alt. Wenn die Welt geschaffen wurde, was war dann vorher? Hat Gott die Zeit und den Urknall erschaffen? Wenn das Universum unendlich alt ist, muss nicht irgendetwas das Universum zum Urknall bewegt haben? Gott? Aber was hat Gott erschaffen? Und was war vor Gott? Weiter kam ich nicht.
Heute denke ich neuropsychophilosophisch darüber. Unser Gehirn ist das Produkt einer Milliarden Jahre langen Anpassung an unsere Welt sowie der Prägung durch unsere Kultur, die es mit Wissen füllt. Instinktiv sucht unser Gehirn immer nach einem Vorher und einer Ursache, und unsere Kultur, darunter die Mathematik verstärkt dieses Kausalitätsdenken. Mit gutem Grund! In der Welt, die wir als Menschen wahrnehmen, gibt es immer eine Zeit und einen Grund. Dies muss nicht unbedingt auf den Urknall zutreffen. Zum Beispiel läuft das Verhalten der atomaren und subatomaren Welt, also der Quantenwelt, dem Kausalitätskonzept unseres Gehirns und unserer Kultur zuwider. Die Kleinstwelt hat andere Gesetze als die Menschenwelt. Es hat wenig Sinn, Antworten allein mit menschlichem Denken und Logik zu finden: Sesselphilosophie hat noch nie etwas Neues gefunden.
Der richtige Weg liegt in der wissenschaftlichen Methode: der Beobachtung, der Theorienbildung und der experimentellen Überprüfung. Die Beobachtung des Urknalls ist unmöglich: Das extrem heiße Plasma (wie Wasser) hat keine Struktur. Die frühestmögliche beobachtbare Erscheinung des Urknalls ist die minus 270 Grad Celsius kalte Hintergrundstrahlung des Universums, die 400 000 Jahre danach entstand! Darum müssen wir uns der Frage mit Formeln annähern. Astronomen beobachten, dass alle Sterne sich auseinanderbewegen. So wie Punkte auf der Oberfläche eines sich ausdehnenden Ballons. Rechnet man zurück, lässt man also Luft aus dem Ballon, wäre das Universum vor 13,7 Milliarden Jahren auf einen sehr kleinen Raum beschränkt gewesen. Kurz vor dem Urknall als die Welt nur Tausendstel Millimeter groß war, funktionieren leider unsere Formeln noch nicht, und wir können nicht weiter zurückrechnen. Diese Miniwelt ist einfach zu extrem: eine Quantenwelt vollgepackt mit der gesamten Masse unseres heutigen Universums! Keiner kennt die Gesetze dieser Extremwelt. Hier ist die Analogie zum Ballon: Wenn man Luft ablässt, verkleinert sich der Radius des Ballons, aber irgendwann verliert er seine Ballonform und die Struktur wird sehr kompliziert. Ohne Formeln kein Verständnis. Nun gibt es Teillösungsvorschläge wie die Stringtheorie oder die Quantengravität. Einige arbeiten an Modellen mit 10 Dimensionen! Keine Theorie ist hundertprozentig zufriedenstellend und experimentell belegt. Was war denn nun vor dem Urknall? Keiner weiß es. Eins scheint aber klar: Der Urknall ist nicht mit der Entstehung des Universums gleichzusetzen, sondern nur der Anfang der Welt, die wir kennen, so wie meine Geburt der Anfang meiner Welt ist. Ein Luxemburger, Jean-Luc Lehners, forscht im Moment in Princeton mit Hilfe solcher Theorien am Urknall. Er hat mir versprochen, sich bei mir zu melden, wenn er etwas gefunden hat!

4 comments:

Ora said...

"Kurz vor dem Urknall als die Welt nur Tausendstel Millimeter groß war, funktionieren leider unsere Formeln noch nicht, und wir können nicht weiter zurückrechnen."

Ich glaube, Du meinst "nach" dem Urknall, oder?

Hermann Händlhuber said...

Eines ist wohl klar, falls irgendwann einmal etwas geknallt haben sollte, dann muss wohl etwas da gewesen sein was knallen konnte, wie klein es auch immer gewesen sein mag.
Die Urknalltheorie als der Entstehungspunkt unseres Universums, dieser winzige Punkt der Singularität, ist meines Erachtens ein grosser Schawchsinn.

Tom Weidig said...

@Hermann: Kein Kosmologe/Physiker glaubt, dass es einen einzigen Punkt gibt. Dieser Punkt ist einfach das Endprodukt wenn man den Film der Ausdehnung des Weltraums logisch zu Ende deckt. Wie z.B. bei einem Luftballon der groesser wird und wo man die Zeit zurueckspielt. Theoretisch musste er auf einen Punkt gehen, das macht er aber nicht. Und so ist es wahrscheinlich auch mit dem Urknall.

Tom Weidig said...

Er gibt auch keinen Knall, das ist einfach nur so ein Wort was Physiker erfunden haben und man darf es nicht wortwoertlich nehmen. Wie "Ich bin am Ende" heisst auch nicht man stirbt jetzt.